Dienstag, 9. August 2011
Eine Nachtfahrt
"Als geschichtliches Phänomen setzt sich der Gebrauch von Kutschen auf der Reise durch den Kontinent zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert mit dem Ausbau des europäischen Straßennetzes durch. [...] >Ein ganz besonderer, unvergleichlicher Eindruck von der Postkutsche läßt sich während der nächtlichen Fahrten empfangen. Das allmähliche Verebben der Konversation, das Schnarchen, das nun anhebt, das Rascheln und Verrutschen der Käppchen, Beine, die ihre Stellung wechseln, das Schwächerwerden anderer Geräusche auf der Straße - das Pfeifen des Windes, das Geprassel des Regens, das Rollen der Räder auf dem Wasser, das rhytmische Trotten der Pferde - all das verschärft beim Reisenden, der nicht schlafen kann, die Wahrnehmung des Wenigen, das er im Dunkeln noch erkennt. Die Kutsche hält an, die Wagentür öffnet sich sperrangelweit, ein Strom kalter Luft kündigt die Überprüfung der Gendarmen an. Die Tür wird wieder geschlossen, die Geräusche draußen werden undeutlicher, man vernimmt Stimmen, die nach den Leuten vom Gasthof rufen und die dann mit Gähnen und Ausrufen der Entschuldigung beantwortet werden. Ringsumher erklingt das Geklapper von Holzpantinen. Man hört das Schlürfen der Pferde an der Tränke. Dann versinkt alles wieder in tiefes Schweigen, jemand tut einen langen Atemzug. Der Kutscher steigt wieder auf den Kutschbock. Es geht weiter.<" (Attilio Brilli: Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des modernen Tourismus: Die >Grand Tour<)
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