Montag, 31. Oktober 2011

Von Wiedergängern, Nachzehrern, Neuntötern und ihren Opfern

(Max Klinger nach Arnold Böcklin - Die Toteninsel (Radierung und Aquatinta 1890)

1. Was sollten wir fürchten?
Von Wiedergängern, Nachzehrern, Neuntötern und ihren Opfern


Unter Wiedergängern verstand man ursprünglich diejenigen Toten, die abweichend von allen üblichen Riten bestattet worden waren. „Erhielten sie nicht die richtigen Beigaben oder Opfer, wurde die Blutrache nicht vollzogen, wurde überhaupt bei Bestattung, Klage, Kult oder Trauer etwas vernachlässigt, oder konnte die Leiche überhaupt nicht gefunden und begraben werden ..., so erschien der Tote mahnend und strafend. Die Begräbnisriten sollten ihm Genugtuung verschaffen, manche sollten auch abwehrend wirken. Bei einzelnen Toten waren aber diese Maßnahmen nicht wirksam: bei besonders mächtigen oder bösartigen Menschen oder bei solchen, die eines „schlechten" oder vorzeitigen Todes gestorben waren. Dies sind nun die eigentlichen Wiedergänger und dadurch von gewöhnlichen Toten unterschieden, daß sie länger als üblich wiedererschienen, und daß sie meist einen bösen Charakter haben.“ […] Nicht selten liegt die Betonung auf den sogenannten „bösen“ Toten, und auch ganz spezielle Gruppen erfahren in diesem Zusammenhang eine Erwähnung. So handelt es sich nach den Quellen oft um Räuber, um hingerichtete, aber nicht ordnungsgemäß bestattete Verbrecher, um Selbstmörder, um totgeborene und ungetaufte Kinder oder um Frauen, die während des Kindbetts verstorben waren.

Der sogenannte Nachzehrer muß als eine besondere Art von Wiedergänger betrachtet werden. Er zehrt im Grabe liegend mit dem Mund an Teilen seines eigenen Körpers, an Textilien und dergleichen und zieht so durch rein sympathische Wirkung seine Opfer nach. Als Gründe für dieses Verhalten werden wiederum Bosheit des Toten, seine Gier nach Leben oder eine fortwährende Verbundenheit mit den Angehörigen genannt. Aber auch ein Gegenstand, der einem Lebenden gehört und ins Grab gelangt ist, könnte den Tod des Besitzers nach sich ziehen. Magdalena Sybilla Reichsgräfin von Rochlitz, die Maitresse des Kurfürsten Johann Georg IV., starb am 4. April 1694 an Pocken. Nur zwanzig Tage später verschied auch der Kurfürst an selbiger Krankheit. Der neue Kurfürst ließ kurze Zeit später das Grab der Gräfin öffnen, „um ihr ein aus dem Haar Johann Georgs geflochtenes Armband abzunehmen. Die Mutter der Gräfin wurde später unter anderem deswegen angeklagt, weil sie mit Hilfe des mitbestatteten Haarbandes den Tod des Kurfürsten gefördert habe.“

Weitere Varianten des Nachzehrers sind die sogenannten Neuntöter. Hierunter werden Kinder, die mit Zähnen oder mit einer doppelten Reihe von Zähnen zur Welt gekommen,geführt. Sie sterben früh, ziehen aber ihre nächsten neun Verwandten nach sich und werden oft für die Pest verantwortlich gemacht.

2. Wie können wir uns schützen?
Antivampiristische Vorkehrungen – Traditionelle Schutzmaßnahmen gegen Wiedergänger, Nachzehrer und Vampire


Als wohl oft praktizierte und auch durch Ausgrabungen belegbare Methode muß die Leichenversteinerung genannt werden. Das Plazieren von teilweise sehr großen Steinen auf Kopf, Brust, Beinen oder anderen Körperteilen lässt schnell eine Wiedergänger- bzw. Vampirbestattung vermuten. Es erfolgte ein „Festmachen“ des Toten, so daß ein Verlassen des Grabes unmöglich gemacht wurde. Steinhaufen, welche über potentiellen Wiedergängern errichtet wurden, sind auch aus den isländischen Sagas überliefert.

Neben der Totenbannung mit Hilfe von Steinen kam auch das Prinzip der Nagelung zum Einsatz. So stellte R. Beltz bei der Bearbeitung von wendischen Gräberfeldern die bemerkenswerte These auf, daß die hier ohnehin nur in geringer Zahl gefundenen Nägel nicht von Särgen stammen, sondern dem rituellen Gebrauch zuzurechnen seien. Genau wie bei der Verwendung von Steinen sollte der Tote am Verlassen des Grabes gehindert werden, wobei entweder lediglich die Kleidung oder auch - in extremeren Fällen - Hände und oder Füße am Sargboden fixiert wurden.

Durch in den Mund des Toten gelegte Steine, Metallstücke, Tonziegelscherben, Münzen oder ähnliches war es ebenso möglich, den Nachzehrer am Verlassen des Grabes zu hindern. Zur Verwendung gelangten unvergängliche Materialien, so daß der Tote nie Mangel an Verzehrbarem hatte und somit auch kein Grund bestand, sein Grab zu verlassen. Besonders die angeführten Münzen bzw. ihre Spuren sind im archäologischen Befund oft vertreten, so beispielsweise auf dem bekannten Silberberg bei Wollin oder in Niedersedlitz bei Dresden, wo der Unterkiefer eines Kindes einen sogenannten Wendenpfennig barg. […] Neben ihrer Funktion im Kampf gegen Vampire und Wiedergänger sind jedoch bei solchen Münzbeigaben auch andere Deutungsmöglichkeiten vorstellbar. Der aus der Antike bekannte griechische Charonsgedanke, der in der Münze den notwendige Obulus zur Fahrt ins Jenseits sieht, muß hier Erwähnung finden. Allerdings nimmt R. Grenz an, daß sich beide Motive nicht grundsätzlich ausschließen müssen, denn das „Fährgeld“ sollte ja auch das Verlassen des Reiches der Lebenden ermöglichen.

Legte man den „lebenden Leichnam“ mit dem Gesicht nach unten ins Grab, blieb der Mund verschlossen und die Seele konnte nicht durch ihn entweichen. Auf diese Weise wurde verhindert, den Toten zu einem Wiedergänger werden zu lassen.

Das Zerstückeln der Toten, das Abschlagen des Kopfes und das Pfählen waren weitere Möglichkeiten zur Bekämpfung des Vampir- bzw. Wiedergängertums. Gerade aus volkskundlicher wie auch aus völkerkundlicher Sicht wird das Pfählen eines Toten als Vorkehrung genannt, die sein „Wiederkommens“ verhindern soll.


3. Was ist der Ursprung? - Biologische Erklärungsmuster

„Bereits im 17. Jahrhundert vermutete man, was modernen Hygienikern zur Sicherheit wurde“, daß nämlich all diese [vampirartige] Erscheinungen mit Abläufen des Verwesungsprozesses in Zusammenhang stehen und speziell auf Fäulnis bedingte Gasbildung im Körper des Verstorbenen zurückzuführen sind. Diese hat auch bei vorher mageren Toten einen „fetten und vollkommenen“ Leib zur Folge. Es sammelt sich in der Brusthöhle blutuntermengte Fäulnisflüssigkeit, die dann durch den Gasdruck aus Mund und Nase entweicht und den Eindruck erweckt, der Leichnam blute noch ganz frisch, auch gebe er Geräusche von sich. Beim Pfählen vermeintlicher Vampire entstandene „Töne“ können auf ein Zusammenpressen des Brustkorbs und einer hieraus resultierenden Bewegung der Stimmbänder zurückgeführt werden. Postmortaler Flüssigkeitsverlust führt zu einem Einsinken der Haut, so daß Haare und Nägel deutlicher hervortreten und den Anschein erwecken, sie seien im Grab noch gewachsen. Abgesehen von solchen Eintrocknungs-erscheinungen kommt es etwa am Ende der zweiten Fäulniswoche dazu, daß sich die Oberhaut mitsamt ihren Anhangsgebilden, den Nägeln, ablöst; danach liegt die rosig und feucht anmutende Lederhaut frei und ebenso die Nagelbetten, wodurch dem oberflächlichen Betrachter das Vorhandensein „zarter, gepflegter, neuer Nägel
vorgetäuscht werden kann.“


Ich habe bei der Lektüre viel gelernt, darum teile ich nun
ANNETT STÜLZEBACHS "Vampir- und Wiedergängererscheinungen aus volkskundlicher und archäologischer Sicht" in Auszügen mit euch (vollständige digitale Textversion: http://cma.gbv.de/dr,cma,001,1998,a,06.pdf)

Sonntag, 30. Oktober 2011

Janosch für Erwachsene

Am Anfang steht ein Anruf. Der Angerufene: Alex Bukowski. Am anderen Ende: Marlene. Die Botschaft: Einladung zum Spaghettiessen.
„Normalerweise nicht schlecht: eine ruft dich an mit einem läppischen Vorwand, du sollst zu ihr kommen, keiner wird da sein, nur du und sie natürlich, und du denkst: Aha, ein Signal.“ Aber bei Marlene ist das anders. Marlene, die so „sauschön ordinär, tief breit und laut“ lachen kann, ruft Alex nur an, wenn sie wieder Liebeskummer hat. Sie will immer nur reden. Aber Alex will eigentlich was ganz anderes (ein neues Wort vermittelte mir das Buch an dieser Stelle: Alex will Marlene nämlich „pudern“). Ob er die Einladung annehmen soll, ist nun die Frage.

Alex ist sich sicher, dass er sich entscheiden könnte, wenn er nur jemanden finden würde, der sich alle seine Sorgen und Gedanken anhört. Alex hat nämlich seit über fünf Wochen nicht mehr richtig geredet. Denn von seinen Gesprächspartnern wird er grundsätzlich nach wenigen Sätzen unterbrochen. Sie alle haben ihm etwas unglaublich Wichtiges zu erzählen. Auf der Suche nach einem Zuhörer zieht Alex nun tagelang erfolglos durch seine Stammkneipen. Man versucht ihn mit einer Nachbarin zu verkuppeln, politisch aufzuklären, zur kritischen Bibellektüre anzuregen und vom kulinarischen Wert von gekochtem Hund mit Salbei zu überzeugen. Er hört zahllose Lebensgeschichten und Ratschläge. Schließlich hört er auf zuzuhören und lauscht nur noch seinen eigenen Gedanken. Einen Zuhörer findet er bis zum Abend der Einladung nicht, aber am Ende steht er vor Marlenes Tür.

Es nicht der unglaublich unkomplexe Plot, der die Freude am Lesen förderte. Es ist auch nicht der kindheitserinnerungslastige Autorenname.
Es sind Sätze wie diese:
„Ich ekele mich […] vor dem Männergeruch hier. Intelligenzler dünsten aus, denn Ausdünstungen entstehen durch psychologische Störungen, durch Ängste, Unsicherheiten, ungelöste Probleme, Probleme erfinden ist aber eine markante Eigenschaft von Intelligenzlern, kurzum, sie stinken.“

Wem das gefallen hat, der hat einen neuen Entspannungslektüreautor für sich entdeckt.
Das gelesene Buch ist übrigens voller Zitatmarkierklebezettelchen. Es könnten also noch weitere Zitate folgen.

Samstag, 29. Oktober 2011

Die Schrecken des Eises und der Finsternis


(Bildquelle: zeit-maschine.at)

„Josef Mazzini reiste oft allein und viel zu Fuß. Im Gehen wurde ihm die Welt nicht kleiner, sondern größer, so groß, daß er schließlich in ihr verschwand.
Mazzini, ein zweiunddreißigjähriger Wanderer, ging im arktischen Winter des Jahres 1981 in den Gletscherlandschaften Spitzbergens verloren. Es war ein privater Trauerfall, gewiß. Ein Verschollener, einer mehr, nichts Besonderes. Aber wenn einer verlorengeht, ohne einen greifbaren Rest zu hinterlassen, etwas, das man verbrennen, versenken oder verscharren kann, dann muß er wohl erst in den Geschichten, die man sich nach seinem Verschwinden über ihn zu erzählen beginnt, allmählich und endgültig aus der Welt geschafft werden. Fortgelebt hat in solchen Erzählungen noch keiner.“
(Christoph Ransmayr – Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984))

Ein Abenteuerroman, der geschickt historische Quellen mit einer fiktiven Rahmenhandlung verwebt.
Mazzini der auf den Spuren der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition (1872-1874) im ewigen Eis verschwindet. Und ein Erzähler der auf den geistigen Spuren Mazzinis sich selbst zu verlieren scheint. Ein Winterbuch für Fortgeschrittene.

Freitag, 28. Oktober 2011

Wer Brille hat, hat auch Verstand



"Frau Schwienteck war [...] eine Frau mit Verstand im Kopf. Ihr [...] Vater, der Kotyrba aus Brzenskowitz, trug Brille. "Wer Brille hat, hat auch Verstand", hatte Tante Hedel immer gesagt. "Bei uns in der Straße war ein Junge, da haben sie immer Sorge gehabt, denn er brauchte von klein auf Brille, sonst sah er nichts. Aber dann? Was is aus dem geworden?- Musiker und konnte nach schwersten Noten spielen." (Janosch - Cholonek oder der liebe Gott aus Lehm)

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Gedichts-verhandlung VII - Eugen Roth: Bücher

(Christian Krohg(1852-1925)- Oda with lamp)

Bücher

Ein Mensch, von Büchern hart bedrängt,
an die er lang sein Herz gehängt,
beschließt voll Tatkraft, sich zu wehren,
eh sie kaninchenhaft sich mehren.
Sogleich, aufs äußerste ergrimmt,
er ganze Reihn von Schmökern nimmt
und wirft sie wüst auf einen Haufen,
sie unbarmherzig zu verkaufen.
Der Haufen liegt, so wie er lag
am ersten, zweiten, dritten Tag.
Der Mensch beäugt in ungerührt
und ist dann plötzlich doch verführt,
noch einmal hinzusehen genauer-
Sieh da, der schöne Schopenhauer...
und schlägt ihn auf und liest und liest,
und merkt nicht, wie die Zeit verfließt...
Beschämt hat er nach Mitternacht
ihn auf den alten Platz gebracht.
Dorthin stellt er auch eigenhändig
den Herder, achtundzwanzigbändig.
E.T.A. Hoffmanns Neu-Entdeckung
schützt diesen auch vor Zwangs-Vollstreckung.
Kurzum, ein Schmöker nach dem andern
darf wieder auf die Bretter wandern.
Der Mensch, der so mit halben taten
beinah schon hätt den Geist verraten,
ist nun getröstet und erheitert,
daß die Entrümplung gescheitert.

Montag, 17. Oktober 2011

Gedichts-verhandlung VI - Unica Zürn: Anagrammgedichte

(Animalia Exstinta - Hugo Horita )

Das ist ein Anagrammgedicht,
Ein Anagramm ist das Gedicht
gemacht im Anti-Sarg, im Sande ...


Einen Satz nehmen und zur Überschrift erklären.
Aus ihm, durch Umstellung der Buchstaben, einen neuen Sinn generieren.
Zeile für Zeile aufs Neue.
Mich hat das fasziniert.

Die Nuetzlichkeit ist aller Laster Anfang
Zart sang ein Leichenkleid aus Flitter alt:
Neuland, Angst, ich friere kalt. Alle Zeit ist
aller Anfang. Die Nuetzlichkeit ist Laster.

(Montpellier 1955)

Ich weiss nicht, wie man die Liebe macht
Wie ich weiss, "macht" man die Liebe nicht.
Sie weint bei einem Wachslicht im Dach.
Ach, sie waechst im Lichten, im Winde bei
Nacht. Sie wacht im weichen Bilde, im Eis
des Niemals, im Bitten: wache, wie ich. Ich
weiss, wie ich macht man die Liebe nicht.

(Ermenonville 1959)

Guten Abend, mein Herr, wie geht es Ihnen?
Heim ins Grab, denn heute weht ein Regen.


Wer sich nun nach einer wirklich ausführlichen literaturwissenschaftlichen Erläuterung sehnt, der findet sie hier: http://www.medienaesthetik.de/literatur/zuern.html

(Quellen: medienaesthetik.de/literatur/zuern.html und iti.fh-flensburg.de/lang/fun/anagram/unica/ana15.htm)

Sonntag, 16. Oktober 2011

Drei Dinge, die Sie über Janosch wissen sollten

 Janosch : Mittagsruhe

1.)Janosch und Edmund Stoiber
Im Jahr 2007 hat „Edmund Stoiber […] den wohl bekanntesten deutschen Kinderbuchautor Janosch („Oh wie schön ist Panama") als „falschen Propheten" bezeichnet. Man dürfe nicht zulassen, dass Janosch mit seinen antireligiösen Zeichnungen und Kommentaren „Zugang zu unseren Kinderzimmern erlange", erklärte der CSU-Politiker in Berlin. Stattdessen müssten Kirche, Gesellschaft und Politik „an einem Strang ziehen" und den Kindern „Orientierung, Werte und Religion" vermitteln. Anlass der scharfen Attacke auf den beliebten Zeichner und Autor war offensichtlich der Abdruck einer Janosch-Zeichnung im Magazin „Der Spiegel". Das Bild mit dem Titel „Taufe" […]. In dem dazugehörigen Artikel wurde Janosch als Beiratsmitglied der religionskritischen Giordano Bruno Stiftung auch kurz zitiert: „Katholisch geboren worden zu sein, ist der größte Unfall meines Lebens." (Quelle:http://hpd.de/node/2126)



2.)Janosch und Panama
„Ich habe einen Orden erhalten, weil ich Panama mit meiner Geschichte bekannt gemacht habe. Ich vermute aber, dass der gar nicht echt ist. Jedenfalls liegt er zusammen mit mehreren Karnevalsorden in einer Kiste bei mir zu Hause.“ (Quelle: http://www.rp-online.de/kultur/mehr_kultur/Janosch-kann-die-Tigerente-nicht-ausstehen_aid_726289.html)

Die folgende Information stammt aus einem Interview, das ich irgendwann irgendwo las.
Mein Erinnerungsvermögen verfügt leider über kein zuverlässiges Quellenverzeichnis. Ihr müsst mir also einfach so glauben, dass das wahre Worte sind.
Janosch sagte er habe sich einmal überlegt welche Bestandteile man benötige um einen Bilderbuchbestseller zu schreiben. Die Antwort: einen Bär und eine Reise. So entstand dann „Oh wie schön ist Panama“.

3.)Janosch und die Tigerente
"Scheiß Tigerente! - Ich halte die für Kitsch. […] Ich habe die eigentlich nur aus Hohn gemalt. Meine Lieblingsfigur ist der Maulwurf, weil der blind ist und nicht raus muss und nicht singen muss." (Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/kinderbuchautor-janosch-tag-der-toten-ente-1.937910)


Ich trug dies zusammen, weil der freundliche Zufall mich zwei Romane von Janosch(in einem Band)hat finden lassen.

Samstag, 15. Oktober 2011

Wonderwall oder die musikalische Untermalung eines filmischen Meisterwerks

Wonderwall. Man könnte für diesen Film den Fachbegriff "Psychedelic Cinema" ersinnen. Man könnte ihn aber auch einfach als surreal und bildgewaltig bezeichnen. Man könnte erwähnen, dass die wenigen Dialoge im Gedächtnis haften bleiben, weil sie so treffend sind. Man könnte von dem Balanceakt zwischen Tragik und Komik sprechen. Man könnte darauf aufmerksam machen, dass man so wunderbar viele aussagekräftige Details im Hintergrund entdecken kann. Man könnte das aber auch einfach lassen und sich die Musik anhören...

...nachdem man mit einigen Internetlexikoninformationen eine Überleitung erzeugt hat.
"The soundtrack was composed by Beatle George Harrison, whom Massot approached specially for the project. Harrison had never done a film soundtrack, and told Massot he did not know how, but when Massot promised to use whatever Harrison created, Harrison took the job.
Deciding to make the soundtrack a kind of introduction to Indian music, Harrison recorded a series of short ragas at EMI's recording studio in Bombay in January 1968, then a selection of rock and other musical styles, at De Lane Lea Studios in London, England. Timing the segments with a stopwatch as he watched the unfinished film, Harrison built up a healthy, varied musical programme."



Freitag, 14. Oktober 2011

Ein Text - Verschiedene Lektüren



"Ein und derselbe Text erlaubt verschiedene Lektüren - ehrerbietige Lektüren, Lektüren, die nachzeichnen und sezieren, Lektüren, die das Rascheln unerhörter Töne vernehmen, und solche, die zum Vergnügen oder zur Belehrung triste kleine Pronomen zählen und eine Zeitlang nichts von golden oder von Äpfeln mitbekommen. Es gibt persönliche Lektüren, die sich persönliche Bedeutungen zusammenklauben: Liebe, Widerwillen, Angst, die den Leser beherrschen und ihn nach den entsprechenden Gefühlen suchen lassen. Und es gibt tatsächlich unpersönliche Lektüren, bei denen das geistige Auge die Zeilen verfolgt und das geistige Ohr sie singen hört. Hin und wieder gibt es Lektüren, die dem Leser buchstäblich die Haare zu Berge stehen lassen, wo jedes einzelne Wort lodert und leuchtet - hart und klar, unendlich und unmißverständlich, wie feurige Steine, wie Sternenfunkeln im Dunkeln."(Antonia S. Byatt: Besessen)

(Bildquelle: womenreading.tumblr.com)

Montag, 10. Oktober 2011

Musikalischer Kurzurlaub...



...und auf gehts in den Norden.

Sonntag, 9. Oktober 2011

The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde...Teil2

"Here then, as I lay down the pen and proceed to seal up my confession, I bring the life of that unhappy Henry Jekyll to an end."
(Robert Louis Stevenson - Dr. Jekyll and Mr. Hyde)

2006 hat die BBC sich an die Verfilmung einer modernen Fortsetzung von "The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde" gewagt.
Kurze Inhaltsangabe: Als Tom Jackman, ein Nachfahre von Dr. Jekyll, entdeckt, dass er beginnt sich in regelmäßigen Abständen in eine Art Mr. Hyde zu verwandeln, zieht er sich von seiner Familie zurück und trifft Sicherheitsmaßnahmen um diese zu schützen. Das ihm konstant ein dunkler Lieferwagen folgt, bemerkt Jackman, der nun einen konstanten Kampf mit sich selbst führen muss, leider zu spät.
Kurzes Urteil: Vier der sechs Folgen würde ich im doppelten Wortsinn als fantastisch bezeichnen. Dem Ende mangelt es jedoch leider etwas an Struktur und Logik. Ihre Großartigkeit verdankt die Serie dabei hauptsächlich der Schauspielkunst des Hauptdarstellers James Nesbitt, der beunruhigend glaubhaft die beiden Extreme darstellt.
Kurz: Ich finds gut. Schauts euch an.
Kurzer Ausschnitt: Als kleiner Anreiz eine meiner Lieblingsszenen mit Hyde:

Freitag, 7. Oktober 2011

Literarische Fiktion oder es gibt Bücher, die gibts gar nicht.


Es ist zu Anfang festzustellen, dass das fiktive Buch häufig auch das mächtige Buch ist. Ein Buch, das über das bloße Buchsein hinausgewachsen ist.

Wie etwa Michael Endes Unendliche Geschichte (gemeint ist das Buch im Buch), kann es für den richtigen Leser den Weg in eine Parallelwelt öffnen. Dadurch dass Ende in seinem Werk die geistige Reise des Lesers wörtlich nimmt, wird aus einem Buch ein Tor in das Reich der Phantasie.

Susanna Clarke erschuf für ihre magische Alternative History Jonathan Strange and Mr Norrell eine ganze Fachbibliothek seltenster antiquarischer Werke, die sich mit der Geschichte und der Ausübung der Magie beschäftigen - Books of magic and books about magic. Hunderte von Fußnoten voller Primär- und Sekundärtexte füllen die 1006 Seiten. Trotz des scheinbar verstaubt wissenschaftlichen Ansatzes, haben wir es auch hier mit mächtigen, mit magischen Büchern zu tun.

Aber das bekannteste und zugleich mächtigste fiktive Buch ist wohl nach wie vor Lovecraft’s „forbidden Necronomicon of the mad Arab Abdul Alhazred“, angefüllt mit geheimem Wissen über verbotene Kulte, unaussprechliche Rituale und unbegreiflich alte und böse Wesenheiten. Ein verbotenes Buch, das vom Zeitpunkt seiner fiktiven Niederschrift bis in die Gegenwart lovecraftscher Erzählungen kontinuierlich kopiert, übersetzt und weitergereicht wurde. Ein Buch, das von den geistig Gesunden gefürchtet und gemieden werden sollte. Ein Buch übrigens, das als Vorbild eines anderen fiktiven Buches gelten kann.

Vorbild für eines der vielen fiktiven Werke, die die Regalbretter in Walter Moers Zamonien füllen. Vorbild für das Blutige Buch, Hauptwerk der zamonischen Dämonistik. Ein in Fledertrattenflügelhaut gebundenes und angeblich mit Dämonenblut geschriebenes Werk des Schreckens, das so grauenvoll ist, dass es nur Satzweise „genossen“ werden kann. Aber lest selbst:

"Hexen stehen immer zwischen Birken"

"Der Schatten, den du wirfst ist nicht dein eigener."

"Wenn du deine Augen schließt, kommen die Anderen."






(Quellen: http://de.zamonien.wikia.com/wiki/Das_Blutige_Buch; http://www.hplovecraft.com/creation/necron/stories.asp

Montag, 3. Oktober 2011

John Hulmes - De Translatione Nursery Rhymes. Von den schwindelerregenden Möglichkeiten referentieller Verirrung im älteren angelsächsischen Liedgut

In einem der vielen Häuser in dieser wundervollen Stadt, in dem ich einmal lebte, hatte sich eine schöne Tradition eingeschlichen. Wer ein Buch besaß, an dessen Besitz er kein Interesse mehr hatte, der bereicherte sich nicht etwa mit dem Verkauf des betreffenden Werkes oder übereignete es sogar einem der Abfall-Sammelbehälter der städtischen Müllentsorgung. Nein, er platzierte es gut sichtbar an einer bestimmten Stelle in der Einfahrt, damit es einen neuen Besitzer finden konnte. Das ganze hatte etwas Magisches. Man legte ein Buch hinaus und schaute dann wie lange es wohl liegen bleiben würde. War es dann plötzlich verschwunden stellte man sich unweigerlich die Frage, wo das Werk denn nun ein neues Heim gefunden haben mochte, denn das Mietshaus war nicht klein zu nennen. Fand man selbst ein Buch, das einem gefiel und nahm es mit sich, so war dies ein Gefühl als wäre Nikolaus vorverlegt worden. Auf diesem Wege haben einige Bücher, die ich unter normalen Umständen wohl nie besessen hätte, ihren Platz in meinem Regal gefunden. Eines möchte ich meiner werten Leserschaft heute vorstellen:
Ein Blick ins Vorwort verrät, dass „die Gedichte in diesem tiefsinnigen Bändchen aus dem Nachlaß eines exzentrischen englischen Lords stammen, bei dem ich [der ursprüngliche Herausgeber] 57Jahre lang als Butler gedient habe. Dieser bemerkenswerte Mensch lebte ganz alleine […] in einem verfallenen Schloß nicht weit von Windsor, wo seine Urahnen schon seit 1291 ohne fließendes Wasser existiert haben.“ Das Nachwort der wissenschaftlichen Herausgeber erläutert darüber hinaus, dass „für die Neuausgabe […] die erklärenden Beigaben des Herausgebers unverändert übernommen wurden, jedoch ein Titel gewählt wurde, den die Ergebnisse der inzwischen profilierten textkritischen Forschungen nahe legen. […] In dem Schlüsselbegriff translatio ist […] der Aspekt der Über-Setzung als ein komplexes syntakto-semantisches transnationales Aneignungsverfahren in einem mehrfachen Sinne „aufgehoben“.“

Und nun einige aussagekräftige Auszüge:

Allah fur girl sinned shown tar
Allah fur girl, Allah (1).
Am cell dross elf ink hunt star
Undie (2) can Sir foe girl Shah
Finch hen dear iron coo (3)tis yah!
Lout (4) air high land say gun.

Anmerkungen:
(1)Wegen ihrer Sünden sitzt sie in einem Pelzmantel in ihrer Zelle und ruft Allah an.
(2)Ein Zwerg mit Schlacke jagt nach der Unterwäscheeiner Filmgröße
(3)Tauben gurren, Finken und Hühner aber selten. Viellecht sind persische anders.
(4)Dieser Lümmel schießt sie trotzdem.



Dee bloomer line sees laugh hen (1)
Shown length Tim (2) moan den shine
See Nick (3) hen mid den curb (4) shun
How fear hens Tengah (5) line


Anmerkungen:
(1) Die Schlupfhosen an der Leine bringen das Huhn zum Lachen.
(2) Timotheus: Märtyrer und katholischer Heiliger (Feiertag am 24. Januar)
(3) Nikolaus von der Flüe („Bruder Klaus“), hoch verehrter Volksheiliger (1417-1487) in der Schweiz)

(4) Hasenfuß kommt bei Hühnern verhältnismäßig selten vor
(5) Stadt in Singapur


Die Auflösung:
Wer bisher nicht entnervt die Lektüre beendet hat, wird wohl bereits ahnen, dass wir es hier mit einer Wissenschafts-Satire zu tun haben. Bei den Gedichten handelt es sich um bekannte deutsche Kinderlieder, die in einer Art englischen Lautschrift wiedergegeben sind. Das ganze Buch gleicht dabei in Form, Aufbau und Gestaltung einer textkritischen Ausgabe. Man könnte sagen, dass das ein Literaturwissenschaftlerwitzbuch ist, weshalb es wohl auch nur die Mitglieder dieser Spezies rückhaltlos komisch finden werden. Da kommt es gar nicht so unerwartet, dass ich es großartig finde.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Holland House

(Bildquelle: http://www.siue.edu/~ejoy/HollandHouseLibraryText.htm)

Leser in der zerstörten Bibliothek von Holland House, London, die am 22.Oktober 1940 von einer Brandbombe getroffen wurde.