Freitag, 9. September 2011

Gastbeitrag: Mark Oliver Everett - Things the Grandchildren should know

Vor einiger Zeit überredete mich der Christian, wohl mit Abstand
der musikbegeistertste Mensch in meinem Freundeskreis, einen Gastbeitrag mit
musikalischer Thematik zu verfassen. Da ich Musik normalerweise passiv
erlausche und eher selten aktiv beurteile oder reflektiere, war das eine
ziemliche Herausforderung. Wie ich die gemeistert habe lässt sich hier
beurteilen:
http://www.tantepop.de/2011/06/gastbeitrag-die-kunst-der-wiederholung.html

Ich hatte also seit Juni einen Gastbeitrag gut, den habe ich jetzt mal
eingefordert. Mit der Themeneinschränkung, es müsse um Literatur gehen
(,denn darum geht es hier mehrheitlich). Was ich daraufhin zugesandt bekam ist
eine Buchbesprechung mit musikalischem Innenleben. Nicht unbedingt das, was
man hier sonst zu lesen bekommt, aber gerade deshalb ein ganz wunderbar
bewusstseinserweiternder Beitrag, lest selbst:


When I was a little kid I was in love with my mom, and obsessed with her breasts. There, I said it. Years later I would learn in therapy that this admission was actually one of the more normal things about my upbringing.She was very childlike in some ways and seemed to live her life to help others as much as she could. But she was raised by her New England family not to show emotion and could unwittingly be cruel and overly critical. And she was prone to random crying jags that left me feeling helpless. It was tough for me because I needed a mother and, as a result, still do (it's OK, ladies, I know it's not gonna happen, and I'm OK with it).
- Mark Oliver Everett: Things the Grandchildren should know. Seite 19.



Wenn Rockstars Bücher schreiben sei Vorsicht geboten. Es kommt nicht von
ungefähr, dass sie meistens einfach gestrickte, kurze Texte vertonen und
sich im Normalfall nicht an Romanen abarbeiten. Gelungene Autobiografien
müssen deshalb gelobt werden.

Zu dieser Gattung gehört Things the Grandshildren should know von
Mark Oliver Everett, besser bekannt als Mr. E, Kopf seines
ständig im Wandel befindlichen Bandprojektes namens Eels. Der Name
des im Jahre 2008 erschienenen Buches ist dem gleichnamige Eels-Stück vom
monumentalen Doppelalbum Blinking lights and other revelations aus
dem Jahr 2005 entnommen.



Dass Mr. E harte Zeiten gehabt haben muss spürt man bereits beim
Anhören seiner Werke, allen voran das in seiner Morbidität kaum zu
übertreffende Album Electro-Shock Blues von 1998.

Natürlich waren auch schon vor dem Erscheinen seiner Autobiografie viele
Details aus seiner Vergangenheit bekannt, aber es aus der Feder des
Betroffenen zu lesen offenbart erst die ganze Tragweite der
Schicksalsschläge, und füllt die knappen Eckdaten mit Leben und, ich nenne
es mal Anekdoten.

Die Sprache ist sehr direkt, man merkt deutlich, dass hier kein
professioneller Autor schreibt, aber gerade das vermittelt dem Leser ein
Gefühl der Authentiziät, auch wenn bekannt ist, dass er seinen Rückblick
nachweislich frisiert hat.

Die Tragik der beschriebenen Geschehnisse ist durch Einzelgängertum und Tod
bestimmt. 1982, als er 19 Jahre alt ist, stirbt sein Vater, der berühmte
Physiker Hugh Everett III. Als er seine Leiche entdeckt und versucht ihn
wiederzubeleben, war das der innigste körperliche Kontakt den sie jemals
hatten. All die Jahre davor hat er nur wenige Sätze mit seinem Vater
geredet, und beiden waren sich gegenseitig ein Rätsel. Seine Schwester Liz
war eh und je depressiv und ist schließlich in die Hände zwielichtiger Typen
geraten – sie nahm sich 1996 während des Erscheinens des ersten Eels-Albums
Beautiful Freak das Leben. Das, und eine unheilbare Krebserkrankung
seiner Mutter kurz danach, führten zum düsteren Electro-Shock Blues Album.
Sie verstarb übrigens während der Tour zum Album. Nun hatte er sämtliche
Verwandte verloren bis auf eine Cousine, die allerdings am 11.9.2001 in
einem der entführten Flugzeuge umkam. Der Tod verfolgt einen im Buch, und
man denkt immer, nun muss doch endlich mal Schluss sein, doch dann
passieren sterben alle paar Seiten irgendwelche Freunde und Bekannte.

Der Rest des Werks besteht aus typischen Lebensgeschichten. Er verlässt 1987
sein Heimatkaff in Virginia und wohnt jahrelang sinnentleert in Los Angeles.
Natürlich gibt es jede Menge Frauengeschichten, wobei er einen Hang zu sehr
komplizierten (vielleicht auch gestörten) Persönlichkeiten hat. Muss wohl an
der nicht gerade normalen Familie liegen. Das ist auf jeden Fall
unterhaltsam, auch wenn der Wahrheitsgehalt sicherlich eher so Medium sein
dürfte.

Zweifelsohne kann man davon ausgehen, dass jeder, der sowas schreibt, das
ein oder andere zensiert, so auch bei Mr. E. Eine Stelle, bei der man
das weiß, ist das Jahr 1985. Im Buch sind die 5 Jahre zwischen dem Tod
seines Vaters und dem Umzug nach Los Angeles ein recht großes Loch. Aus dem
Jahr 1985 stammt allerdings sein allererstes Album, auf das man ihn aber
besser nicht persönlich ansprechen sollte. Er versucht alles, um dessen
Verbreitung zu verhindern, weil es ihm wohl höchst unangenehm ist. Nunja,
man kommt seit einiger Zeit trotzdem an das Material, und es ist gar nicht
so schlecht wie man vermuten würde. Zumindest müssen diese Aufnahmen für den
damals 23jährigen Mark Oliver eine sehr große Sache gewesen sein. Dass so
was vollständig ausgeblendet wird, wirkt schon etwas sehr skurril. An der
ein oder anderen Stelle sind wohl ähnliche Lücken, deren eigentlicher Inhalt
ziemlich spannend sein könnte. Andererseits geht er teilweise sehr
schonungslos in die Tiefe, vor allem bei den schon erwähnten Beziehungen
sowie seinen präkeren Lebensumständen und Geistesverfassungen in den ersten
5 Jahren nach dem Umzug.

Tragik, Komik, Selbstmitleid und Erfolgsgeschichte sind eng miteinander
verstrickt. Das Buch ist sehr lebendig und reflektiert.

Wer jetzt Interesse an dieser Lebensgeschichte hat, aber sich noch nicht zum
Buchkauf entschließen kann, sollte unbedingt die großartige Dokumenation
Parallel worlds, parallel lives anschauen, in der Mr. E zum
ersten mal auf die Spuren seiner Ahnen geht und nebenbei verständlich
erklärt wird, was es mit der damals wie heute bahnbrechenden Theorie seines
Vaters auf sich hat. Dessen Biografie ist nämlich ähnlich interessant.
Hoffen wir, dass uns Mr. E deutlich länger erhalten bleibt.


Dank an Christian für seinen Beitrag.
Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass er (aber nicht er allein) einen lesenswerten Musikblog mit dem einprägsamen Namen www.tantepop.de hat, den ich euch abschließend wärmstens empfehlen möchte!






3 Kommentare:

  1. Geh mich wech mit dera Übabewertung von Kollege EEEEEELLLLL!!!

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  2. Lese ich da im Subtext heraus, dass du eine tägliche Eels-Huldigungskolumne wünschst?

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  3. Bittä! Isch möcht mei Ruh' u nimmer was von dera Eeeeelys lese! Macht mal einen oder zwei oder drei oder vier gute Beiträger über andere Artisten die wo haben auch veröffentlicht gute Musik bis sehr gute sogar! Aber Marky Mark ist nicht der Schlüssel letzter von Weisheit! Nein Nein Nein.!? NO MORE EEEELEELELELELS.

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