Mittwoch, 14. September 2011
Ars amatoria
Kernthese: Wir alle streben nach kurzfristiger oder langfristiger Zweisamkeit. Und da wir mehrheitlich mit den Schritten zur Herstellung dieses Zustandes völlig überfordert sind, ist ein signifikanter Anteil der Gesamtbevölkerung stets auf der Suche nach einer Anleitung. Einem Wegweiser. Einem Spickzettel.
Daher gab es stets findige Personen, die aus diesem Herzenswunsch Profit schlugen.Das Ergebnis: eine Schrankwand voller "Dating- und Beziehungsratgeber". Dass dies jedoch kein Phänomen der sogenannten Moderne ist, gilt es nun zu beweisen. Eines der eindrucksvollsten Werke mit eben jenem Themenschwerpunkt entstand nämlich vor Beginn unserer Zeitrechnung.
Und da der Wunsch nach Liebe zu den Konstanten der Menschheitsgeschichte zählt, hat es kaum an Aktualität verloren...wenn wir einmal ausklammern, dass man Damen nicht mehr bei Gladiatorenkämpfen kennen lernen kann (kein Witz...darüber gibt es ein ganzes Kapitel).
Die vom römischen Dichter Publius Ovidius Naso verfasste "Ars amatoria"(lat. Liebeskunst) ist ein Lehrgedicht über die Liebe in drei Büchern und entstand um das Jahr 1 v. Chr.
Abgehandelt werden drei wichtige Themenkreise:
1. Wo kann man in Rom ein Mädchen kennenlernen?
2. Wie kann man ihre Liebe gewinnen?
3. Wie behält man sie?
Interessant ist, dass diesem Bestseller (These: hätte es nicht eine größere Anzahl von Exemplaren gegeben, wäre der Text nicht überliefert)ein an die weibliche Leserschaft gerichtetes Werk mit dem Titel "Die Schule der Frauen" folgte. Als Grund führt der Dichter Gleichberechtigung an, denn "unbillig wärs, wolltet wehrlose Fraun ihr bewaffnet bekämpfen, und ein Sieg solcher Art stünde euch, Männer, schlecht an".
Genug der Vorrede. Kommen wir zu dem Zitat, mit dem meine Begeisterung für dieses Werk vor langer Zeit (im ersten Semester) begann:
Geschenke
Heilige Scheu einflöße dir stets der Freundin Geburtstag;
Und schwarz heiße der Tag, wo man Geschenke verlangt.
Weichst du auch aus, sie wird sie erlangen doch; eines Verliebten
Beutel zu rupfen versteht Mittel zu finden das Weib.
Zur kauflustigen Dame wird kommen ein schlumpiger Krämer,
Wird auslegen sein Zeug, während du sitzest dabei.
Dies dann sollst du besehn, damit du als Kenner dich zeigest;
Dann wird küssen sie dich, bitten zu kaufen dich dann.
Damit zufrieden zu sein auf längere Jahre dir schwört sie;
Jetzt sei nöthig es ihr, spricht sie, und billig der Kauf.
Schützest du vor, du habest kein Geld zu Hause zu geben,
Fordert die Handschrift man; selber die Schule ist schlimm.
Und wie, wenn ein Geschenk zum Angebinde sie fordert
Und so oft sie es braucht, selber geboren sich wird?
Wie, wenn niedergedrückt von erlognem Verluste sie jammert,
Sagt, aus dem Läppchen des Ohrs sei ihr gefallen ein Stein?
Vieles erbitten sie sich zum Gebrauch, was nie sie erstatten;
Weg ist's; keinerlei Dank hast du bei deinem Verlust.
Wollt' ich die schurkischen Künste der Dirnen verfolgen, es wären
Zehn der Münde mir nicht, zehen der Zungen genug.
Ich finde das ungemein unterhaltsam.
Kommen wir zu den Ratschlägen:
Körperpflege
Doch es gefalle dir nicht, mit dem Eisen die Haare zu kräuseln;
Auch mit beißendem Bims glätte die Schenkel dir nicht.
[…]Männern geziemt versäumte Gestalt.[...]
Sauberkeit sei dir lieb, gebräunt der Körper vom Campus;
Passend und fleckenlos, sitze die Toga dir gut.
Starr nicht klebe die Zunge, von Rost frei seien die Zähne;
Und in zu weitem Schuh schlappe der Fuß nicht herum.
Auch entstelle die Schur das steife Haar nicht zum Schimpfe;
Haar geschnitten und Bart sei dir von kundiger Hand.
Laß die Nägel auch nicht vorragen und halte sie schmutzfrei;
Und aus dem Nasenloch stehe kein Haar dir heraus.
Nicht beschwerlich auch sei der Hauch schlimm riechenden Mundes;
Ziegen-Vater und Mann setze der Nase nicht zu
Und nun etwas Hilfestellung für die Damenwelt (das ist so grausam, dass es schon wieder lustig ist):
Vom Lachen, Weinen und Schreiten
Der aus dem Munde es riecht, die hüte sich nüchtern zu sprechen
Und steh' immer ein Stück ab vom Gesichte des Manns.
Wenn die Zähne dir schwarz, zu groß sind, oder nicht richtig
Stehen; so wirst du viel Schaden durch Lachen dir thun.
Ja – wer sollte es glauben? – es lernen auch Lachen die Mädchen;
Und hierinnen auch sucht man für die Schönheit Gewinn.
Mäßig nur öffnet den Mund, daß kleine Grübchen entstehen;
Und das Zahnfleisch sei stets von den Lippen bedeckt.
Spannet den Leib auch nicht in unaufhörlichem Lachen;
Sanft nur, ich weiß nicht wie, klinge und weiblich der Ton.
Manche verziehn das Gesicht beim Lachen wol bis zur Verzerrung;
Andere weinen, so scheint's, sind sie im Lachen vergnügt.
Heiser erschallt bei Andern und gar unlieblich das Lachen,
Wie bei der Mühle Geknarr häßlicher Esel Geschrei.
Alles durchdringt die Kunst. Anmuthig auch lernen sie weinen;
Wann sie nur wollen und wie, sind sie zu heulen bereit.
Ja, Buchstaben beraubt man sogar des gehörigen Lautes,
Nöthigt zu stammeln die Zung' in dem befohlenen Wort.
Anmuth liegt in dem Fehler, ein Wort schlecht wiederzugeben;
Minder zu sprechen verstehn lernet man, als man verstand.
Auf dies Alles verwendet – es nützt euch – sorgliche Pflege,
Eueren Körper auch lernt tragen mit weiblichem Halt.
Nicht der mindeste Theil der Anmuth liegt auch im Gange.
Männer, euch unbekannt, lockt er und scheucht er hinweg.
Kunstreich wendet sich diese und fängt mit dem flatternden Kleide
Auf die Luft; und gestreckt trägt sie die Füße voll Stolz.
Gleich des Umbrischen Manns rothbäckigem Ehegemahle
Schreitet Jene und macht mächtige Schritte gespreizt.
Aber es sei auch hier, wie überall, Maaß. Es erscheinet
Diese Bewegung im Gang bäuerisch, jene geziert.
Aber der untere Theil der Schulter, der ob're des Armes
Bis an die linke Hand zeige dem Auge sich bloß.
Das steht euch vorzüglich, ihr Weißen. So oft ich das sehe,
Habe die Schulter, soweit möglich, zu küssen ich Lust.
Wunder des Meers, die Sirenen vermochten mit reizender Stimme
Aufzuhalten im Lauf selber das rascheste Schiff.
Wem das gefallen hat, dem gefällt auch der Rest.
Eine digitale Volltextversion findet sich hier:
http://gutenberg.spiegel.de/autor/451
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