Freitag, 25. März 2011

Der Leser




Der Leser - Rainer Maria Rilke

Wer kennt ihn, diesen, welcher sein Gesicht
wegsenkte aus dem Sein zu einem zweiten,
das nur das schnelle Wenden voller Seiten
manchmal gewaltsam unterbricht?

Selbst seine Mutter wäre nicht gewiß,
ob er es ist, der da mit seinem Schatten
Getränktes liest. Und wir, die Stunden hatten,
was wissen wir, wieviel ihm hinschwand, bis

er mühsam aufsah: alles auf sich hebend,
was unten in dem Buche sich verhielt,
mit Augen, welche, statt zu nehmen, gebend
anstießen an die fertig-volle Welt:
wie stille Kinder, die allein gespielt,
auf einmal das Vorhandene erfahren;
doch seine Züge, die geordnet waren,
blieben für immer umgestellt.



(Quelle: http://www.zeit.de/kultur/literatur/2010-05/amazon-kindl-lieblingssatz-sozial

Zeit.de, wo die Leser mit Rilke Gedichten ihren Unmut zum Ausdruck bringen.

Unmut zum Thema e-book und seine (unerwünschten) Funktionen.
Konkreter: "Der weltgrößte Buchverkäufer will den Besitzern seines neuesten Kindle-Modells nicht nur die Möglichkeit geben, ihre Lieblingssätze auf den eigenen Lesegeräten zu markieren. Wer mag, kann sich auch die Sätze anzeigen lassen, die von vielen anderen Lesern gut gefunden wurden."

Dazu gibt es dann einen Pro und einen Contra Artikel zu lesen.
Und um die Leser zum lesen (der Artikel aus dem Mai 2010...ich hinke mal wieder hinterher) zu motivieren, hier der polemischste Absatz:

"Nun kann es durchaus verdrießlich sein, dass auch andere – unstudierte, plumpe Menschen gar, mit ungewaschenen Haaren und schlecht sitzenden Hemden mitunter – die gleichen Bücher lesen wie man selbst, und ihre Lektüre dann auch noch für bedeutsam halten. Es soll Menschen geben, die nur in Biomärkten einkaufen, weil sie den Anblick des Pöbels, der zwangsweise zu Aldi-Preisen shoppt, nicht mehr ertragen können. Oder Männer, die auf Kunstpartys gehen, weil sie dort die hübscheren Frauen anflirten können. Es soll sogar Leute geben, die Arno Schmidt als ihren Lieblingsautor nennen. Einzig aus der Angst heraus, von anderen für unterkomplex gehalten zu werden."

...das hat eine gewisse eigenwillige Schönheit, auch wenn ich der Autorin nicht zustimmen würde.

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